Inhaltsverzeichnis   Druckansicht  

Transsexualität - NGS

Startseite > SBGG und TSG > Das TSG im Vergleich > Rechtsstellung > Neuausstellung von Zeugnissen

Recht auf Neuausstellung von Zeugnissen

 

Anspruch einer transsexuellen Person auf Neuerteilung eines Arbeitszeugnisses mit dem geänderten Namen bzw. dem geänderten Geschlecht


Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) 4. Kammer

Urteil vom 17. Dezember 1998, Az: 4 Sa 1337/98



Leitsatz

1. Von den Fällen der (inhaltlichen) Zeugnisberichtigung sind die Fälle zu unterscheiden, in denen der Arbeitnehmer die Neuausstellung eines (inhaltlich richtigen und nicht beanstandeten) Zeugnisses begehrt, weil es beschädigt worden oder verloren gegangen ist. In solchen Fällen ist der Arbeitgeber kraft seiner nachvertraglichen Fürsorgepflicht verpflichtet, auf Kosten des Arbeitnehmers ein neues Zeugnis zu erteilen (Urteil des LArbG Hamm vom 15.07.1986 - 13 Sa 2289/85, LAGE § 630 BGB Nr 5). Entscheidend ist dabei allein die Frage, ob dem früheren Arbeitgeber die Ersatzausstellung des Zeugnisses zugemutet werden, insbesondere ob er anhand (noch) vorhandener Personalunterlagen ohne großen Arbeitsaufwand das Zeugnis neu schreiben kann oder nicht.

2. Auf der gleichen Ebene liegt es, wenn eine transsexuelle Person von dem früheren Arbeitgeber die Neuerteilung eines Zeugnisses mit geändertem Vornamen bzw mit geändertem Geschlecht begehrt. Selbst dann, wenn die Personalakte der transsexuellen Person infolge Zeitablaufs vernichtet sein sollten, kann ihr der Arbeitgeber die Neuerteilung eines Zeugnisses nicht unter Berufung auf Verwirkung verweigern, weil das ursprünglich erteilte Zeugnis zurückzugeben ist, der Arbeitgeber es mithin also ohne jegliche inhaltliche Überprüfung nur hinsichtlich des geänderten Geschlechts und des geänderten Namens der transsexuellen Person und der sich daraus ergebenden grammatikalischen und rechtschreibmäßigen Abänderungen "umformulieren" muss.

3. Der Anspruch der transsexuellen Person auf Neuerteilung eines Zeugnisses mit geändertem Vornamen bzw mit geändertem Geschlecht folgt aus der nachvertraglichen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Deren Umfang ergibt sich aus § 242 BGB iVm Art 2 Abs 1 GG und § 5 TSG. Art 2 Abs 1 GG schützt in Verbindung mit Art 1 Abs 1 GG die engere persönliche Lebenssphäre, insbesondere auch den Intim- und Sexualbereich, und gewährleistet das Recht des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu bestimmen, aus welchem Anlass und in welchen Grenzen er persönliche Lebenssachverhalte offenbart. Dem Schutz dieser Rechtsgüter dient auch das Transsexuellengesetz

4. Die sog kleine Lösung des § 1 TSG (bloße Vornamensänderung) soll der besonderen Situation transsexueller Personen schon vor einer geschlechtsanpassenden Operation oder bei Verzicht auf operative Eingriffe Rechnung tragen und es ihnen ermöglichen, auch schon vor der irreversiblen "großen Lösung" des § 8 TSG frühzeitig in der Rolle des anderen Geschlechts aufzutreten, mithin in der ihrem Empfinden entsprechenden Geschlechtsrolle zu leben, ohne sich im Alltag Dritten und Behörden gegenüber offenbaren zu müssen. Die sog "kleine Lösung" ist mit der Zielsetzung Gesetz geworden, den transsexuellen Personen vor allem beim Arbeitsplatzwechsel, bei der Arbeitsplatzsuche und im Sozialbereich, die Möglichkeit zu geben, die Identitätsfindung wenigstens zu einem Teil zu erreichen.

5. Da über einen Arbeitnehmer nur eine Beurteilung existieren darf, ist der Arbeitgeber nur verpflichtet, Zug-um-Zug gegen Rückgabe des beanstandeten Zeugnisses ein neues Zeugnis zu erteilen. Da der Arbeitgeber wegen des Offenbarungsverbots des § 5 TSG gehalten ist, die Geschlechtsumwandlung der transsexuellen Person nicht ohne deren Zustimmung zu offenbaren, kann die transsexuelle Person nur solche Maßnahmen durchsetzen, die dieses Ziel nicht gefährden und deren Einhaltung bzw Überwachung dem früheren Arbeitgeber organisatorisch zuzumuten sind. Bei Rückgabe des ursprünglichen Zeugnisses Zug-um-Zug gegen Aushändigung eines Zeugnisses mit dem geänderten Namen bzw dem geänderten Geschlecht braucht der Arbeitgeber keine Rückfragen zu befürchten.


© Gesetze und Obergerichtliche Urteile sind "Public Domain"

 

Kommentare / Comments: 0

Keine Kommentare vorhanden! / No comments available!

Neuen Kommentar verfassen / write new comment:

Bitte füllen Sie mit * markierte Felder korrekt aus. JavaScript und Cookies müssen aktiviert sein.
Please fill in the fields marked with * correctly. Javascript and cookies must be activated.
Name: (Pflichtfeld / Mandatory field)*
Email: (Pflichtfeld, wird nicht veröffentlicht / Mandatory field, will not be published)*
Homepage:
Ihr Kommentar / Your comment: *
 
Bitte tragen Sie den Spamschutz Code ein / Please enter the spam protection code:*
Captcha

Letzte Bearbeitung: 24.09.2023, 18:46

 

News

 

24.09.23: Filme und NGS-Stammtisch

Jetzt bieten wir auch die Möglichkeit, sich gute Filme bei uns zum Thema NGS anschauen zu können. Hier. Viel Spaß beim gucken und Popkorn futtern. wink

Eine Userin war so freundlich und hat für uns via Zoom einen virtuellen NGS-Stammtisch aufgebaut. So können wir locker flockig miteinander plauschen und uns dabei sehen. Die Zugangsdaten gibt es nur für registrierte User denen wir vertrauen können.

 

 

21.07.23: Chat

Nachdem ich heute den ganzen Tag gebastelt habe, steht nun unser eigener Chat. Immer hereinspaziert in die gute Stube. Kaffee und Kuchen stehen bereit. Hier entlang.

 

18.07.23: Zertifikat

Seit heute den 18.07.23 ist unsere Webseite mit einem SSL-Zertifikat versehen. Das berühmte "Schloß" ist nun nicht mehr durchgestrichen.

Neue Grafiken... / New graphics...


...sind nun online. Zu sehen hier und hier.


...are online now. See here and here.

 

Neue Inhalte
New contents

Jetzt gibt es neue Inhalte zum Thema "Rückkehrer".

 

There are now new contents about detransitioning.



« vorige Seite Seitenanfang nächste Seite »